ArchitekTour

25 Baudenkmäler - Ein architektonischer Stadtbummel durch die Wiege Sachsens

Wir laden Sie herzlich ein zu einem architektonischen Stadtbummel durch die Wiege Sachsens.

Mittels häuserspezifischer QR Codes bieten sich faszinierende Einblicke in den Wiederaufbau Meißens als kulturhistorisches Kleinod - denn Meißen ist reich an wertvollen Zeugnissen deutscher Baukultur. Erfahren Sie dabei mehr über die Geschichte ausgewählter, kulturhistorisch besonders bedeutsamer Altstadthäuser, die durch das denkmalpflegerische Engagement von Bund & Land, aber auch privater Bauherren und Vereine in den letzten Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden konnten - oder noch immer darauf warten.

Elbstraße 4

Autor: Claus-Dirk Langer - Architekt & Stadtplaner Meißen

Barockes Wohn- und Geschäftshaus von 1662, im 19. Jahrhundert als Meißens Posthalterei genutzt. Saniert ab 1992, seit 1994 "Rabener Passage".
Um 1600 noch eines der reichsten Patrizierhäuser der Stadt, benannt nach seinem Besitzer Martin Rabener, verlor dieses Haus zu DDR Zeiten seine historische Bedeutung komplett.
Erst bei der Sanierung ab 1992 brachte man historisch bedeutsame Bauteile wie Putze, Türen, bemalte Holzbalkendecken, aber auch das mittige Sandsteinportal wieder zum Vorschein.

Weitere Informationen

Die "Rabener Passage" ist ein vierflügliger Gebäudekomplex mit lang gestrecktem, seit 1994 überdachtem Hof und Durchgang zur Lorenzgasse. Das dreigeschossige Hauptgebäude an der Elbstraße 4 weist acht Fensterachsen auf und ein steiles, zur Straßenecke abgewalmtes Satteldach. Im Hauptgebäude hat sich die historische Raumstruktur mit schlichten Barockdecken erhalten; ältere Befunde (Wandbemalungen, Teile bemalter und sekundär verbauter Holzdecken) sind konserviert erhalten, aber teilweise nicht sichtbar, da durch moderne Raumausstattung überdeckt.

Im Keller befindet sich, eingemauert in einen Lüftungsschacht, ein sekundär verbauter jüdischer Grabstein. Man findet ihn an der Kellertreppe vom Hof in den einstigen "Rabener Keller" auf der rechten Seite. Der Stein, dessen Inschrift noch nicht entziffert werden konnte, stammt vermutlich vom 1349 aufgelösten jüdischen Friedhof auf dem Jüdenberg. Damals waren alle jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner Meißens ermordet oder vertrieben worden, ihre Häuser wurden abgebrannt und die Grundstücke aufgeteilt – und die Grabsteine vom jüdischen Friedhof als kostenloses Baumaterial benutzt

Von der alten Posthalterei zeugt heute nur noch der linke Seitenflügel (entlang des Postgässchens), in dem die Pferde untergebracht waren. Hier sieht man in der Außenwand die typischen weit oben angebrachten, mit Sandsteingewänden versehenen Fenster des Pferdestalls. Im benachbarten Postgässchen bewahrte man die Erinnerung an die Posthalterei, indem man im Sinne einer Spielstraße Spielgeräte zum Thema Post installierte - von Briefträgern auf Drahtseilen bis zum Wettrennen von zwei Post-Schnecken der Schneckenpost.

Das Anwesen galt um 1600 als eines der reichsten Patrizierhäuser der Stadt und wurde nach seinem weit gereisten Besitzer (Martin Rabener, gest. 1619, erwarb 1592 das Grundstück) "Rabener Hof" genannt. Es existiert eine lange Abhandlung über das Leben des Martin Rabener und über das von ihm nach seinem Tod 1619 zurückgelassenen Inventar des Hauses. Darin wird sein gesamter Nachlass raumweise akribisch aufgezeichnet, von den meist bemalten Möbelstücken über seine Pelzmäntel bis zum kleinsten Tintenfass.

Bei der Plünderung der Stadt durch die Schweden 1637 im Dreißigjährigen Krieg brannte das Haus ab. Der jetzt vorhandene schlichtere Bau wurde 1662 unter Einbeziehung erhaltener Reste errichtet und um 1720 im Innern umgebaut. 1825 bis 1865 war hier die Meißner Posthalterei untergebracht, woran noch der Name des benachbarten Postgässchens erinnert.

Zu DDR-Zeiten erhielt das Haus einen schlichten Fassadenputz und moderne Fenster. Im Erdgeschoss waren zwei Lebensmittelläden untergebracht, darüber Wohnungen. Das Hinterhaus stand größtenteils leer. Seine barocke Herkunft und historische Bedeutung sah man dem Haus nicht mehr an.

Bereits vor Beginn der Baumaßnahmen wurden restauratorische Untersuchungen angestellt, die in der Planung berücksichtigt werden konnten. Neben der Erhaltung der bestehenden Raumsituation wurde auch auf alle wichtigen Befunde Bezug genommen. Im Oktober 1992 begann die umfangreiche Sanierung des Gebäudekomplexes, bei der man sich bemühte, erhaltene historische Bauteile wieder zum Vorschein zu bringen. So gelang es, ohne Nutzungseinschränkungen, fast den gesamten Bestand des Gebäudes einschließlich der historischen Putze und Türen zu erhalten. Die bei der Sanierung aufgefundenen originalen Holzbalkendecken wurden restauriert und sekundär neu eingebaut. So fand die bemalte Decke aus dem ersten Obergeschoss nun ihren neuen Platz über dem Erdgeschoss.

Bei der Fassadengestaltung orientierte man sich an der Farbgebung, die schon im frühen 19. Jahrhundert sichtbar war. Im Untergeschoss wurden die großen, unpassenden Schaufenster wieder in eine Form gebracht, die dem Zustand um 1900 entspricht. Das mittige Sandsteinportal, von dem um 1990 nichts mehr zu sehen war, wurde mit großem Aufwand nach aufgefundenen Profilabläufen des Originales rekonstruiert.

Für Meißen spektakulär war die Umgestaltung des Hofes zu einer überdachten Passage, mit dem ersten Glasdach der Stadt in dieser Größenordnung.

Nach den umfangreichen Bauarbeiten wurde der gesamte Komplex am 23. Juni 1994 als "Rabener Passage" eröffnet.